KriminalitätSchleuser-Ring: Ermittlungsverfahren gegen 170 Beschuldigte

Polizisten durchsuchen in der Nähe der Innenstadt Wohnungen und Häuser im Rahmen einer Razzia gegen Schleuserkriminalität.

Polizisten durchsuchen in der Nähe der Innenstadt Wohnungen und Häuser im Rahmen einer Razzia gegen Schleuserkriminalität.

Der Handel mit deutschen Aufenthaltsgenehmigungen - mutmaßlich mithilfe von Bestechung lokaler Behörden - ist Thema im NRW-Landtag. Für die AfD wird die von ihr initiierte Debatte zum Bumerang.

Nach den Großrazzien gegen eine internationale Schleuserbande in der vergangenen Woche werden inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Ermittlungsverfahren gegen 170 Beschuldigte geführt. Das berichtete Landesjustizminister Benjamin Limbach (Grüne) am Donnerstag im nordrhein-westfälischen Landtag. Dabei gehe es unter anderem um den Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern.

„An der Bande sollen sich unter anderem Rechtsanwälte, eine Rechtsanwältin und ein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes beteiligt haben“, sagte Limbach. Die Beschuldigten stünden im Verdacht, „über einen längeren Zeitraum einer Vielzahl von Staatsangehörigen aus Nicht-EU- und Nicht-Schengen-Staaten gegen Bezahlung in überwiegend sechsstelliger Höhe zur Einreise und zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verholfen zu haben“.

Noch keine Konsequenzen aus Korruptionsvorwürfen

Bis Verfahrensabschluss gelte aber die Unschuldsvermutung. Daher werde die Landesregierung die Fakten erst bewerten und Maßnahmen für eine wirksamere Bekämpfung von Korruption erst dann treffen können, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen habe.

Die AfD-Opposition hatte die Aktuelle Stunde beantragt, um über Konsequenzen aus dem aufgeflogenen internationalen Schleuser-Netzwerk zu diskutieren. Der Justizminister und Vertreter aller anderen vier Landtagsfraktionen warfen der AfD vor, sie versuche, das Vertrauen in die Arbeit der Polizei, Justiz und letztlich in den Rechtsstaat zu untergraben.

In der vergangenen Woche hatten mehr als 1000 Beamte von Bundespolizei und Staatsanwaltschaft in acht Bundesländern mehr als 200 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht - darunter an zahlreichen Orten in NRW. Mit der Großrazzia wurde eine international agierende Schleuserbande zerschlagen, die sich besonders auf Reiche aus China und Oman spezialisiert hatte. Dabei waren zehn Personen verhaftet worden.

„In einem nie da gewesenen Ausmaß hat das Thema Korruption Deutschland fest im Würge-Griff“, sagte die AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias unter hörbarem Protest der anderen Fraktionen. Ansehen und Integrität des Staates würden dadurch massiv erschüttert. Das Parlament müsse darüber sprechen, wie die Glaubwürdigkeit wiedererlangt werden könne.

Bumerang für die AfD

Doch dieser Vorstoß stieß bei CDU, SPD, Grünen und FDP auf beißenden Spott und erwies sich für die AfD als Bumerang in der Debatte. „Bei dem, was bei Ihnen in der Partei alles los ist, sind diese Forderungen eigentlich ein Treppenwitz“, hielt der CDU-Abgeordnete Dietmar Panske der Abgeordneten entgegen. Die AfD solle erst einmal für Klarheit und Transparenz in ihren eigenen Reihen sorgen.

Dabei spielten die Redner der übrigen Fraktionen auf Vorwürfe an, wonach der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahlen, Maximilian Krah, und die Nummer 2 auf ihrer Europawahlliste, Petr Bystron, Kontakte zu prorussischen Netzwerken gehabt haben sollen. Krahs Mitarbeiter soll darüber hinaus Informationen aus dem Europaparlament an China weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Nach Krahs Einlassungen hat er sich „kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen“.

Aus Sicht der CDU zeigen diese Fälle hingegen „eine gefährliche Distanzlosigkeit der AfD zu Despoten und Feinden der Demokratie“. Seli-Zacharias warf den anderen Landtagsfraktionen daraufhin Vorverurteilung und „Einmischung in Wahlen“ vor.

Die wiederum argumentierten unisono, anders als von der AfD suggeriert, habe der Rechtsstaat bei der erfolgreichen Großrazzia gegen die Schleuserbande seine Handlungsfähigkeit bewiesen. Die SPD-Abgeordnete Sonja Bongers hielt der AfD vor, den Erfolg der Ermittlungsbehörden zu ignorieren und stattdessen Misstrauen in den Staat zu säen. „Die AfD verkauft Deutschland und Europa an die Meistbietenden“, sagte sie mit Bezug auf die Affären der Bundespartei. „Sie macht die Demokratie verächtlich und macht die Türen auf für diejenigen, die sich gerne an der Destabilisierung beteiligen.“ Ähnlich argumentierte die Grünen-Abgeordnete Julia Höller, die die Bürger deswegen ausdrücklich davor warnte, ihr Kreuz bei der Europawahl im Juni bei der AfD zu machen.

„Was ein Eigentor!“

Auch der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke staunte über den Vorstoß der AfD im Landtag: „Was ein Eigentor!“, spottete der Freidemokrat. Richtig sei aber, dass die Behörden im Kampf gegen Kriminalität und Korruption gestärkt werden müssten. Allein in NRW summierten sich die unerledigten Ermittlungsverfahren auf rund 250.000. Das belege einen „eklatanten Mangel an Staatsanwälten“.

Der „staatliche Kontrollverlust bei der Einwanderung“ biete fruchtbaren Boden für illegale Aktivitäten, stellte Lürbke fest. „Viele Ausländerbehörden fahren auf der letzten Rille.“ Die Überlastung der Behörden dürfe aber nicht zu Nachlässigkeiten führen: „Um jeden Verdacht von Korruption auszuräumen, müsste das Vier-Augen-Prinzip konsequent eingehalten und das Rotationsprinzip zur Regel werden“, forderte der Oppositionspolitiker. (dpa)