Corona-SperrungenÜbertrieben oder notwendig? Riesenzoff um beliebten Kölner Platz

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Seit Ende Mai gibt es Zugangsbeschränkungen für den Brüsseler Platz. Vorher musste er mehrfach vom Ordnungsamt geräumt werden. Das Foto wurde am 22. Mai 2020 aufgenommen.

von Chris Merting (mert)

Köln – Mit den Corona-Lockerungen ist das Leben zurück auf den Brüsseler Platz gekommen. Derart geballt, dass die Stadtspitze kürzlich eine zeitweise Sperrung des Platzes und auch des Rheinboulevards angeordnet hat (hier lesen Sie mehr).

Das wird nicht nur unter Nachtschwärmern und Anwohnern kontrovers diskutiert, auch die Politik mischt jetzt mit. Politiker der Kölner Grünen kritisieren das Vorgehen der Stadt. Brigitta von Bülow, Fraktionschefin im Rat, sagt: „Sperrungen sind dann sinnvoll, wenn tatsächliche Gefährdungslagen dies erfordern. Die generelle Sperrung von Brüsseler Platz und Rheinboulevard nachmittags und abends bis zum 5. Juni halte ich für zu unspezifisch, zu lang und insgesamt für nicht zielführend.“

Corona in Köln: Wird das Problem nur verlagert? 

Die Politikerin sieht in den pauschalen Sperrungen die Gefahr, „dass Menschen sich an anderen Plätzen der Stadt treffen werden und das Problem unkontrolliert verlagert wird“. Auf dem Brüsseler Platz und dem Rheinboulevard war es zu größeren Ansammlungen gekommen. Stadtdirektor und Chef des Krisenstabs, Dr. Stephan Keller (CDU), begründete die Absperrungen so: „Wenn alle Ermahnungen, Ansammlungen zu vermeiden und die Abstandsregeln zu befolgen, nicht dazu führen, dass sich die Situation vor Ort entspannt, bleibt uns keine andere Wahl, als diese Hotspots zu sperren. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass wir nicht tolerieren, dass wenige Uneinsichtige die Gesundheit vieler Menschen gefährden.“

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Für die Grünen Innenstadt/Deutz ist die Teilsperrung „unverhältnismäßig“: „Die Stadt greift mit solchen Maßnahmen willkürlich in die Grundrechte der Bürger ein, ohne tatsächlich eine Lösung anzubieten“, heißt es in einer Mitteilung. 

Derya Karadag, Sprecherin des Ortsverbands, ergänzt: „Gerade bei schönem Wetter treibt es die Bürger vermehrt in die Parks und auf sonnige Plätze. Es handelt sich oft um junges Publikum und Innenstädter, die aufgrund der beengten Wohnverhältnisse in der City keinen Balkon oder gar Garten haben. Aus diesem Grund ist der Aufenthalt an öffentlichen Plätzen für die Innenstädter derzeit umso wichtiger. Wir müssen lernen, verantwortungsvoll mit dem Virus umzugehen, werden aber nicht auf unser Veedel verzichten.“

Ist die zeitweise Sperrung richtig oder überzogen? Liegt die Wahrheit auf’m Platz? EXPRESS hat sich dort umgehört. Gastronomin Angeliki Karpathiotakis, Inhaberin des „Little Candia“ an der Brüsseler Straße, sagt: „Die Sperrung ist unfair und ungeeignet. Wir empfinden das als unlauteren Wettbewerb – ein Platz schließt und links und rechts haben alle offen. Entweder alle Plätze in Köln werden von der Stadt geschlossen oder keiner ...“

Stefan Kalwait, Kellner im „St. Michael“ und Anwohner: „Dass die Feierwütigen aus den anderen Stadtteilen in den ersten Corona-Wochen den Platz nicht zum „Vorglühen“ nutzen konnten, war zunächst superangenehm. Man muss abwarten, wie sich das Ganze einpendelt.“ Von einer „Ausgrenzung“ hält er nichts: „Auch wenn man nicht in der Gastronomie sitzt, sollte mal ein Bier vom Büdchen mit einer Unterhaltung auf dem Platz erlaubt sein.“

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Anwohner hätten vor der Lockerung „ihren Platz“ genossen. Eine Frau meint: „Eine Sperrung ist ok, da in der letzten Zeit viel zu viele Leute auf den Platz gekommen sind.“ Eine Nachbarin: „Erst vorletzte Nacht bin ich gegen 2.30 Uhr von lauter Musik und Partylärm geweckt worden, von Polizei und Ordnungsamt keine Spur.“

Egbert Bossche sitzt dort, er ist obdachlos: „Die Sperrung des Platzes ist Bullshit, er ist ein Teil meines Zuhauses.“ Er fürchtet, dass er dort von den Ordnungskräften weggeschickt wird: „Dann soll doch lieber gleich aufgepasst werden, dass der Platz erst gar nicht so voll wird und die Leute den Abstand einhalten.“