Bonner Traditionsgeschäft schließtSchnäppchen-Jagd mit ganz viel Wehmut

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Seit Donnerstag läuft im Bonner Traditionsgeschäft „Puppenkönig“ der Räumungsverkauf.

Bonn – Mehr als 100 Jahre lang versorgte der „Puppenkönig“ Kinder im Rheinland mit den tollsten Spielsachen. Doch damit ist bald Schluss. Am Donnerstag startete im Traditionsgeschäft an der Gangolfstraße der große Räumungsverkauf. 

„Puppenkönig“ – nicht nur für Bonner Pänz ein Paradies

Lange Schlangen an der Kasse, Kinderwagen vollgepackt mit Einkaufstüten, überall Pänz, die in Regalen stöberten. Schon am ersten Tag des Ausverkaufs war im „Puppenkönig“ gut was los.

Stephanie war mit ihrer Tochter Carolin (6) extra aus Brühl angereist. Der Besuch im Bonner Spielwarengeschäft sei  lange geplant gewesen, vom Räumungsverkauf erfuhr die Mutter erst vor Ort. Während Carolin begeistert in einem Regal mit vielen pinkfarbenen Spielsachen stöbert, erzählt Stephanie: „Ich finde es sehr schade, dass der „Puppenkönig“ schließt. Solche Geschäfte gibt es ja kaum noch, in Kaufhäusern findet man immer nur die gleichen Angebote und die Beratung ist oft nicht gut.“

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Christian war mit dem einjährigen Malte extra wegen des Räumungsverkaufs in die Bonner City gefahren. „Wir schaun uns hier in Sachen Geburtstage und Weihnachten um.“

Bonner Traditionsgeschäft voll bestückt mit Ware

„Puppenkönig“-Inhaber Alfred Westenhöfer beobachtet von der Gangolfstraße aus das Treiben. „Es läuft sehr gut, wir haben uns ja auch viel Mühe gegeben.“ Das Geschäft sei „voll bestückt mit Ware“. Für die nächsten Wochen werden übrigens noch Helfer für den Verkauf gesucht. Interessenten können sich direkt im „Puppenkönig“ melden.

Die Gründe für die „Puppenkönig“-Schließung

Einer der Gründe, die Westenhöfer gegenüber unserer Redaktion im Januar für die Schließung nannte, ist die immer größer werdende Konkurrenz durch das Internet. „Spielwarenhändler sind ganz besonders vom Online-Handel betroffen. 50 Prozent der Spielwaren werden online gekauft. Aber der Kunde will es ja so. Wenn der bei Amazon und Co. kauft, ist das so“, sagt er. Gehalten hat sich sein Laden bisher auch, weil Westenhöfer die Immobilie in der Gangolfstraße gehört. Mit einer zusätzlichen Miete wäre wohl schon früher Schluss gewesen. „Definitiv“, sagt Westenhöfer. 

Puppenkönig in Bonn: Westenhöfers Töchter schlagen anderen Weg ein

Die Umsatzeinbußen sind aber nicht der Hauptgrund. Westenhöfer ist im letzten Jahr 65 Jahre alt geworden, seine Frau 68. Beide haben jahrzehntelang sechs Tage die Woche für den Laden geschuftet. Da soll auch irgendwann Schluss sein. „Als Angestellter stellt sich die Frage nach dem Aufhören ja nicht. Da geht man halt in Rente“ so Westenhöfer. Als Inhaber falle eine solche Entscheidung schwerer. 

Angedacht war zunächst, dass eine seiner Töchter das Unternehmen weiterführen könnte, aber: „Eine ist der Liebe wegen nach Österreich gezogen, die andere lebt in Berlin. Beide sind auch nicht mehr im Spielwaren-Einzelhandel tätig“, erzählt Westenhöfer. Für ihn aber „völlig okay“. Er sagt: „Ich habe da nie Druck ausgeübt. Die Kinder müssen selbst entscheiden, was sie wollen. Klar schwebt beim Gedanken an das Ende Wehmut mit. Mehr als 100 Jahre – das ist schon eine Zeit. Aber irgendwann ist es halt soweit.“

„Puppenkönig“in Bonn: Jahrzehntelange Tradition

Der „Puppenkönig“ lockte vor allem in der Vorweihnachtszeit mit seiner Modelleisenbahn, die durch eine malerische Winterlandschaft fuhr. 90 Jahre lang drückten sich große und kleine Kinder hierfür die Nase an der Schaufensterscheibe platt. 

Gegründet wurde das Unternehmen 1873 in Köln. Das Geschäft in der Hohe Straße war damals das größte für Kinder-Spielwaren in der ganzen Stadt. In Bonn wurde die erste Filiale 1913 eröffnet.

Inzwischen bietet der Laden Spielsachen und Kindermode auf drei Etagen an – doch im November ist damit endgültig Schluss.

Was mit der Immobilie im Anschluss passiert, habe er noch nicht entschieden, sagt Westenhöfer. Eines steht aber fest: „Spielwaren wird es hier sicherlich nicht mehr geben.“

„Ein herber Verlust“

„Wir bedauern zutiefst, dass das alteingesessene Spielwarenunternehmen Puppenkönig nach 106 Jahre am Ende dieses Jahres seine Tore für immer schließt. Für die Innenstadt Bonns, für Tausende Kinder und Eltern ist das ein weiterer herber Attraktivitäts- und Qualitäts-Verlust“, so Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen. 

Er nimmt auch die Verbraucher in die Pflicht: „Die Bonner dürfen nicht zulassen, dass ihre Stadt auch immer mehr unter der neuen Ego-Art leidet, sich im Fachgeschäft auf Kosten von Arbeitsstellen beraten zu lassen, um dann bei Unternehmen, die teilweise in Deutschland nicht steuerpflichtig sind, beim Onlinekauf ein paar Euros einzusparen. Dabei nehmen diese Verbraucher nicht nur die Schädigung der Umwelt, welche durch den ständig zunehmenden Lieferverkehr die Luft verpestet in Kauf, sondern sie fördern auch bewusst die Verödung der Innenstädte.“ (ms)