OB Reker vor Gericht:„Ich hab gedacht, der hat mir die Kehle durchgeschnitten“

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Großes Medieninteresse Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor ihrer Aussage.

  • Starker Auftritt der Kölner Oberbürgermeisterin
  • Sie will keine Entschuldigung des Attentäters hören
  • Sie hatte Angst, gelähmt zu bleiben

Düsseldorf – Nüchtern und sachlich wollte sie ihre Aussage angehen, das sagte Henriette Reker (59, parteilos) kurz vor ihrer Aussage im Düsseldorfer Oberlandesgericht.

Am Freitag traf die Kölner Oberbürgermeisterin beim laufenden Prozess vor dem Staatsschutz-Senat auf Frank S. (44). Den Mann, der sie fast getötet hätte.

Die Oberbürgermeisterin wird von Richterin Barbara Havliza als Zeugin aufgerufen. Sie betritt den Saal in einem dunkelblauen Hosenanzug, sie trägt beige Schuhe und geht in Begleitung eines Polizeibeamten forschen Schrittes zur Zeugenbank. „Guten Morgen“, sagt sie selbstbewusst zur Richterin.

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Ruhige, sachliche Schilderung

Auf der Zeugenbank sitzt Reker mit übereinander geschlagenen Beinen, gestikuliert leicht mit Armen und Händen, wenn sie die Fragen von Richterin Havliza beantwortet. Rekers Stimme ist fest, sie spielt beim Wiedergeben des Geschehenen mit den Händen, die sie oft aufeinanderlegt.

Sie wippt beim Erzählen manchmal leicht mit den Füßen. Reker spricht ruhig und sachlich, unaufgeregt.

Etwa vier Meter entfernt sitzt Attentäter Frank S. Glatze frisch rasiert, graue Jeans, dunkelblaues Hemd. Er sitzt scheinbar teilnahmslos zwischen seinen beiden Anwälten, fährt sich manchmal mit den Fingern über die Nase oder durchs Gesicht, schließt häufiger die Augen.

„Es war der letzte Tag vor der Wahl, ein verhältnismäßig gemütlicher Morgen“, berichtet Reker im Zeugenstand. Sie habe mit ihrem Ehemann gefrühstückt, sei dann gegen 8.45 Uhr nach Braunsfeld gefahren. Sie habe Rosen verteilt, dann sei der Attentäter auf sie zugekommen.

„Er fragte freundlich nach einer Rose, binnen Sekunden stach er mir das Messer in den Hals.“

Große Schmerzen verspürt

Sie sei dann nach hinten zu Boden gegangen und habe gemerkt, dass sie aus Mund und Nase blute. „Ich habe mich in stabile Seitenlage gebracht und einen Finger auf die Wunde gedrückt, um sie zu kompressieren. Viel mehr habe ich nicht mehr mitbekommen“, sagt Reker.

Sie habe große Schmerzen verspürt, sei aber nicht bewusstlos gewesen, als sie mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht worden sei. Sie habe ihren Wahlkampfleiter Pascal Siemens erblickt, sich gefreut, dass er lebt.

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„Ich habe den Ärzten in der Notaufnahme gesagt, dass ich morgen gerne wählen und zur Verleihung des Friedenspreises gehen würde, da haben die nur mit den Augen gerollt.“

Sie habe große Angst gehabt, dass sie gelähmt bleiben könnte. „Ich hatte den Eindruck, dass das Messer meinen Hals komplett durchstoßen hat“, so die Kölner OB.

„Ich bin auf ihn zugegangen"

Nach ihrer Erinnerung sei Frank S. der erste gewesen, der an diesem 17. Oktober 2015 nach einer Rose gefragt hatte.

„Sind Sie auf ihn zugegangen, oder er auf Sie?“, fragt die Richterin. Reker: „Ich bin auch auf ihn zugegangen. Es gab keine Anzeichen, dass er mir nicht freundlich gesinnt war.“

Reker habe die Rose noch gereicht, als er das Messer gezogen habe. „Ich habe das Messer erst gesehen, als es eine gewisse Höhe hatte.“

Reker schildert eindrucksvoll ihre Gedanken kurz nach dem Angriff. „Ich hab gedacht, der hat mir die Kehle durchgeschnitten. Ich hatte Angst, im Rollstuhl zu landen und nicht mehr durch die Badezimmertür zu passen.“

Im Krankenhaus sei sie operiert worden. Montags noch einmal. Bis Mittwoch, vier Tage nach dem Attentat, habe sie im künstlichen Koma gelegen. Behandelt worden sei sie von ihr bekannten Ärzten.

„Ich habe mich daher in guten Händen gefühlt.“ Die Ärzte hätten ihr gesagt, dass sie ganz großes Glück gehabt habe und wieder vollständig genesen werde.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Hatte Henriette Reker überlegt, das Amt nicht anzunehmen?

„Mein Mann sagte mir, dass ich gewählt worden bin“, berichtet Reker. Die Richterin will wissen, ob es Gedanken gegeben habe, das Amt der Oberbürgermeisterin abzulehnen. „Nein“, sagt Reker. Es habe sie nur beschäftigt, ob sie das gesundheitlich schaffe.

Die Richterin fragt nach den konkreten Verletzungen. Die Luftröhre sei durchtrennt gewesen, das Messer in zweiten Brustwirbel eingetreten, so Reker. Dadurch sei eine Abteilung eines Wirbelkörpers entstanden. Die Luftröhre sei zusammengenäht worden, nach etwa 15 Tagen sei diese verheilt gewesen.

„Ich musste lernen, mich wieder richtig zu bewegen und zu schlucken“, sagt Reker. Sie habe wieder zu Kräften kommen müssen.

Schreckliche Alpträume

Am 21. November habe sie ihren Dienst als Kölner Oberbürgermeisterin angetreten. Nach den Folgen der Tat befragt, berichtet Reker von schrecklichen Alpträumen, vor allem in der Aufwachphase im Krankenhaus.

Psychologische Hilfe habe sie nicht in Anspruch genommen. Reker bezeichnet sich als robust. „Sind Sie misstrauischer geworden, wenn Menschen auf Sie zukommen?“, fragt die Richterin. „Nein“, entgegnet Reker.

Nach Rekers Aussage, die um 11.07 beendet ist, richtet sich der Anwalt des Attentäters an die Kölner OB: Frank S. wolle noch Worte der Entschuldigung an Reker richten, wenn sie einverstanden sei. Reker dazu: „Ich glaube, das ist hier noch nicht die richtige Situation.“

Auf einer Leinwand zeigt Richterin Havliza anschließend die Verletzungen der Oberbürgermeisterin. Ein Foto zeigt eine klaffende Wunde, ein Loch im Hals von einer Länge von dreieinhalb Zentimetern.

Ein Röntgenbild bildet Rekers Verletzung an der Wirbelsäule ab. Ein weiteres Foto zeigt den weiß-schwarz gestreiften Schal, den Reker an diesem Tattag trug. Er war voller Blut.

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