Gruseliger Fall aus KölnMann (24) wird Ohr abgebissen: Urteil gegen den „Beißer“ ist da

Zwei Männer sitzen auf der Anklagebank, zwischen ihnen eine Anwältin, die auf ihr Laptop guckt.

Ein 28-Jähriger aus Hagen (l.) gilt als Hauptangeklagter. Das Foto vom Prozess am Dienstag (23. April 2024) zeigt einen weiteren Angeklagten, insgesamt sitzen vier Männer auf der Anklagebank. 

Ungewöhnlicher Prozess am Kölner Amtsgericht, der an den Fall von Mike Tyson und Skandalboxer Evander Holyfield im Jahr 1997 erinnert. 

von Iris Klingelhöfer (iri)

Es ist Weiberfastnacht 2022, rund um die Zülpicher Straße ist es voll. Zwar ist noch Corona, doch es wird ausgelassen Karneval gefeiert. Mitten drin vier Freunde aus Hagen. 

Sie sind am Morgen des 24. Februar nach Köln gereist, wollen Spaß haben. Doch der Tag sollte ganz anders verlaufen, als geplant – denn gut zwei Jahre später, am Dienstag (23. April 2024), stehen sie vor Gericht! Es geht um ein abgebissenes Ohr.

Weiberfastnacht in Köln: Schubserei eskaliert, dann kommt es zum Ohrbiss

Die jungen Männer (28, 33, 33, 36) müssen sich vor dem Kölner Amtsgericht wegen schwerer beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verantworten. Der 28-Jährige soll der „Beißer“ gewesen sein und das Opfer, so der Vorwurf, dauerhaft entstellt haben. 

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An Weiberfastnacht 2022 gegen 15.30 Uhr soll es auf der Uniwiese zwischen zwei Gruppen zum handfesten Zoff gekommen sein. Das Opfer, ein 24-jähriger Kellner aus Köln, soll dabei als Hurensohn bezeichnet worden sein. Eine anfängliche Schubserei soll dann in einer Schlägerei eskaliert sein.

Als auch zwei Frauen geschlagen und verletzt wurden, soll das spätere Opfer sich zwischen die Gruppen gestellt haben, um die Frauen zu beschützen. Der 28-jährige Angeklagte soll ihn dann in den Schwitzkasten genommen und ihm die linke Ohrmuschel abgebissen haben.

Bei Prozess: Kölner Richter guckt sich rekonstruiertes Ohr genau an

Beim Prozess ist das Opfer Nebenkläger. Zu Beginn bittet der Richter den 24-Jährigen zu sich, um sich dessen Ohr anzugucken. „Eindrucksvoll“, urteilt er. In einer ersten OP wurde die abgebissene Ohrmuschel aus entnommenem Rippenknorpel rekonstruiert.

Ein Mann steht im Gerichtssaal. Ihm wurde das Ohr abgebissen.

Ihm wurde das linke Ohr abgebissen. Dies wurde bereits in einer ersten OP sehr erfolgreich rekonstruiert. 

Eine zweite OP steht noch an. Dabei wird erneut Rippenknorpel hinter das Ohr gesetzt, damit des wieder vom Kopf absteht. „Ich bin wieder sehr, sehr happy“, erklärt das Opfer. Kein Ohr zu haben, habe ihn auch psychisch schwer belastet. 

Opfer soll Angeklagten (28) umfasst haben – mit Wrestlinggriff

Es wäre eine von vieler Karnevalsschlägerei, erklärt dann der Richter, wenn der Biss nicht gewesen wäre. „Deshalb ist der Fall jetzt vor Gericht.“ Auf der Anklagebank: ein Arbeitszugführer, ein Frisör, ein Metzger und der Teamleiter eines Solariums. 

Der 28-jährige Arbeitszugführer gilt als Haupttäter. „Ja, ich habe da reingebissen, aber nicht, um es abzubeißen. Ich wollte ihm Schmerzen zufügen, damit er mich loslässt“, erklärt er.  

Das spätere Ohr-ab-Opfer soll ihn von vorne umklammert haben. Der Anwalt des 28-Jährigen meint, den Griff aus dem Wrestling zu kennen. Sein Mandant habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als dem anderen ins Ohr zu beißen. Der Verteidiger: „Er kann sich nicht erklären, wie das Ohr dann in seinen Mund kam.“  

Die Umklammerung sei für seinen Mandanten aber besonders schmerzhaft gewesen, weil er sich bei der Schlägerei selbst verletzt hatte. Er war geschubst worden und beim Sturz auf den Ellbogen gefallen, dabei war ein Stück vom Ellbogengelenk abgebrochen. Er musste später ins Krankenhaus.

Wer ihn geschubst hatte, konnte der 28-Jährige nicht sagen. Es sei ein „dynamisches Geschehen“ gewesen. Er und seine Kumpels hatten zudem, wie vermutlich alle Beteiligten, reichlich Alkohol intus.

Opfer bei Prozess in Köln: „Dann flogen auch schon die ersten Fäuste“

Zwei Angeklagte (33, 36) geben an, den Ohrbiss nicht mitbekommen zu haben. Der vierte im Bunde erklärt, dass zwei Personen ihn angerempelt und sich daraus ein Streit entwickelt hätte. „Innerhalb kurzer Zeit hatte sich eine größere Menschentraube gebildet“, schildert der ebenfalls 33-Jährige dem Richter. Er habe nur da rausgewollt. 

Ob das tatsächlich der Auslöser des Streits war, ist unklar. Auch das spätere Opfer weiß den konkreten Grund nicht. Er erzählt, dass wohl einige über die Absperrzäune geklettert sind, dann habe es geheißen, jemand habe den Instagram-Account einer Frau haben wollen.

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Der 24-Jährige erinnert sich nur, dass er zunächst telefoniert hatte, als er gesehen habe, wie zwei seiner Freunde am Zaun mit anderen gesprochen hätten. „Ich habe aufgelegt, mich umgedreht, dann sind schon die ersten Fäuste geflogen“, erzählt er. Er sei dann schlichtend dazwischen gegangen und habe jemanden weggezogen, der den auf dem Boden liegenden Hauptangeklagten getreten habe. 

Der Hauptangeklagte sei wieder aufgestanden und habe um sich geschlagen. „Da hab ich ihm auch eine verpasst“, so der 24-Jährige. Dann sei man in eine Rangelei geraten und plötzlich habe er etwas Feuchtes an seinem Ohr gespürt – Blut. 

Urteil gegen den Karnevals-„Beißer“ gefallen

Das abgetrennte Ohr sammelte jemand auf, wickelte es in ein Taschentuch und gab es ihm mit den Worten „Hier, da ist dein Ohr drin, nimm' das mit.“ Der mutmaßliche „Beißer“ wurde von der Polizei vorläufig festgenommen und blieb bis zum nächsten Tag in Gewahrsam. 

Am späten Nachmittag fällt das Urteil, nachdem noch zahlreiche Zeugen und Zeuginnen vernommen wurden. Der „Beißer“ wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er für alle materiellen und immateriellen Schäden aufkommen. Die Verfahren gegen die drei anderen Angeklagten werden eingestellt.