Köln-EhrenfeldDas Leben auf dem Arbeiter-Strich: Bulgare Georgi (42) packt aus

RUST5856

Jeden Tag, bei Wind und Wetter stehen Georgi und seine Freunde an der Kreuzung Venloer Straße/Ecke Hansemannstraße und warten auf Arbeitgeber.

von Adnan Akyüz (aa)

Köln – Täglich stehen Georgi Lazarov (42) und seine Landsleute an der Kreuzung Venloer Straße Ecke Hansemannstraße.

Bei jedem Wetter. Georgi will Geld für seine Familie verdienen – auf Kölns bekanntestem „Arbeiterstrich“ mitten in Ehrenfeld.

Vor acht Jahren ließ der Bulgare seine Frau und seine fünf Kinder in der Heimat zurück, um in Deutschland sein Glück zu versuchen.

„In Bulgarien gibt es kaum Arbeit. Würde ich dort 1000 Euro verdienen, wäre ich dageblieben“, sagt er.

In Köln lebt der ausgebildete Handwerker für Dämmungsarbeiten, nach eigenen Angaben, auf der Straße. „Ich schlafe im Auto, bei Freunden oder da, wo es gerade einen Platz zum Schlafen gibt.

„Solange ich meiner Familie keine Wohnung bieten kann, will ich sie auch nicht herholen“, sagt er.

Lazarov erklärt das Phänomen Arbeiterstrich: „Wir warten hier auf Arbeitgeber, die uns abholen. Manchmal warten wir monatelang, ohne einen Job zu kriegen.“

Dabei hat Georgi seit zwei Jahren einen deutschen Gewerbeschein. „Wir werden ausgebeutet. Uns werden Mini-Jobs oder halbe Stellen angeboten.

Kurz bevor wir einen Vollzeit-Arbeitsvertrag bekommen sollen, werden wir wieder rausgeschmissen. Natürlich vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit. So kehren wir immer wieder hierher zurück.“

Warum machen er und seine Freunde das mit? „Viele von uns können kein Deutsch. Da ist es problematisch, sich zu bewerben oder Verträge zu verstehen. Wir kennen auch den Arbeitsmarkt nicht gut genug. Deswegen sind wir leichte Beute“, erklärt Georgi.

Seit Jahren beschweren sich Anwohner im Bereich des Arbeiterstrichs. Ordnungsamtschef Engelbert Rummel listet auf:

„Den Anwohnern geht es hauptsächlich um Lärm und Vermüllung. Außerdem geht es um das Thema Schwarzarbeit.“

Deshalb werden die Männer an der Kreuzung auch immer wieder von Polizei und Ordnungsamt kontrolliert. Man kennt sich inzwischen sogar recht gut. Dennoch müssen die Beamten oft einen Platzverweis aussprechen, da sich Anwohner und Ladenbesitzer gestört fühlen.

Mit Schwarzarbeit will Georgi nichts zu tun haben. Er zeigt EXPRESS stolz seinen Gewerbeschein und die letzten Lohnabrechnungen:

„Es sind, wie immer, nur fünf. Kurz bevor ich die sechste bekommen sollte, saß ich wieder auf der Straße. Das passiert mir ständig.“

Viele seiner Kollegen haben keinen Gewerbeschein, arbeiten auch schwarz. Für sechs bis neun Euro pro Stunde werden sie von Privatpersonen, Handwerkern, Betrieben oder Firmen angeheuert und als Bauhelfer eingesetzt.

„Wir wollen alles richtig machen, nicht kriminell werden und für unser Geld arbeiten. Aber irgendwer muss uns dazu auch eine Chance und eine feste Stelle geben“, sagt Georgi - und zuckt die Schultern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter!

Hauptgeschäftführer der Handwerkskammer Köln Weltrich: „Eine Form von Selbstausbeutung“

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln, Dr. Ortwin Weltrich (60), kennt das Problem Arbeiterstrich:

„An sich arbeitet da keiner legal. Es ist eine Form der Selbstausbeutung. Deswegen verurteilen wir das vom ersten Tag an. Das lehnen wir strikt ab.“

Und weiter: „Wir befürworten sozialversicherungspflichtige  Arbeitsverhältnisse anstelle von scheinselbstständigen Subunternehmen. Aber es gehören immer zwei dazu.“

Warum die Männer sich nicht beim Amt melden und so eine  Chance auf einen ordentliches Arbeitsverhältnis bekommen, ist ihm ein Rätsel:

„Handwerksbetriebe suchen Fachpersonal. Geht zum Amt und meldet euch arbeitssuchend. Das ist besser, als am Straßenrand auf Arbeit zu warten.“ So könne die Selbstausbeutung vermieden werden.